aus dem Hause Cottbuser General-Anzeiger Verlag GmbH

Die Cottbuser Chronik
Stadtpolitik im Juni - beobachtet und aufgeschrieben von Michael SCHLICK

Es war der 25. Juni. Die Cottbuser Stadtverordneten hatten die letzte Sitzung vor der Sommerpause hinter sich gebracht. Das politische Leben in der Stadt kochte fortan auf Sparflamme. Urlaubszeit war angesagt. Es hieß Kraft schöpfen für einen heißen Herbst, dessen politischer Höhepunkt die Kommunalwahl am 26. Oktober bilden wird.
Noch einmal war für die Stadtspitze und die führenden Kommunalpolitiker repräsentieren angesagt - nämlich beim Cottbuser Stadtfest vom 27. bis 29. Juni. Und die Veranstaltung stellte in diesem Jahr alles bisher Dagewesene in den Schatten. Geschätzte 160 000 Menschen feierten eine rauschende Fete auf sehr hohem Niveau. Cottbus präsentierte sich von seiner schönsten und weltoffensten Seite. Die Gäste aus Nah und Fern waren angetan vom reichhaltigen Kulturangebot, von der guten Stimmung und vom breiten gastronomischen Angebot. Alle waren zufrieden, bis auf ein paar wenige, immer Unzufriedene, die sich über den Lärm beschwerten.
Dann tauchte ab, wer abtauchen konnte. Die Oberbürgermeisterin zog es nach Irland. Mit dem Wohnmobil wurde das Land der Kelten erkundet. Nur ein einziges Mal wurde die Cottbuser Sommerruhe unterbrochen, das sogenannte Sommerloch mußte gefüllt werden.
Das geschah in diesem Jahr mit Hilfe einer Studie der Fachhochschule Lausitz, die eigentlich das Kaufverhalten und die Zufriedenheit der Cottbuser mit ihren innerstädtischen Einkaufsmöglichkeiten erkunden sollte. So „ganz zufällig“ gab es da aber auch noch die Frage, wie zufrieden man denn mit der Arbeit der Oberbürgermeisterin, der Stadtverordneten und der Verwaltung sei. Und im Ergebnis waren etwa 50 Prozent damit zufrieden beziehungsweise unzufrieden. Je nach Sichtweise des Beobachters. Böse wäre in diesem Zusammenhang der alte Spruch der Empiriker (das sind die Menschen, die solche Studien erstellen) „Trau keiner Statistik, die du nicht selber gefälscht hast“. Aber die Frage der Bewertung sei erlaubt. Gibt es in anderen Städten gleicher Größenordnung ähnliche Studien? Sind 50 Prozent Zufriedenheit in Zeiten großen Politikverdrossenheit ein gutes oder ein schlechtes Ergebnis? Handelte es sich bei den Fragestellern um geschulte Kräfte? Jürgen Heinrich hat diese Fragen im „Märkischen Boten“ seriös und sehr tiefgründig zu beantworten versucht.
Nach ein paar Tagen mit gekünstelter Aufregung war das Thema aber auch wieder durch. Die Jahrhunderthitze hatte die Menschen fest im Griff. Biergarten und Schwimmbad waren wichtiger als irgendwelche Studien.
Knapp zwei Wochen später gab es dann die nächste hochsommerliche Unterbrechung. Am 4. August, einhergehend mit dem 1. Heimspiel von Energie gegen Eintracht Trier, wurde die neue Osttribüne im Stadion der Freundschaft feierlich eingeweiht. Die ausführende Baufirma übergab den Schlüssel an die Oberbürgermeisterin, diese reichte ihn symbolisch weiter an Energie-Präsident Dieter Krein. Gäste, darunter sehr viele aus Polen, die die Einrichtung ebenfalls nutzen sollen, und Fußball-Fans applaudierten höflich. Doch Geyers Truppe war anscheinend nicht nach Feiern zumute. Nach einem Grottenkick setzte es eine 2:3-Niederlage gegen Trier.
Und nicht nur Kapitän Beeck & Co. präsentierten sich als Spielverderber. Die Cottbuser SPD wollte wohl auch keine ungetrübte Feier. Völlig unnötigerweise wurde die Förderfähigkeit des Projektes kritisch hinterfragt und die Europäische Union als Fördermittelgeber aufgeschreckt. Die Investitions- und Landesbank (ILB) stoppte erst einmal die Auszahlung. Im Rathaus gab es nachdenkliche Gesichter. Bis zum heutigen Tag ist die Finanzierung nicht endgültig geklärt. Durch diese Aktion wurde vieles kaputt gemacht. Was da wohl der Antrieb innerhalb der Cottbuser SPD war? Im Zuge dieser spezialdemokratischen Harakiri-Aktion wurde gar ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren gegen Alt-Oberbürgermeister Waldemar Kleinschmidt eingeleitet. Subventionsbetrug im Zusammenhang mit der Tribünenfinanzierung lautete der Vorwurf. Das Verfahren wurde glücklicherweise eingestellt. Hoffentlich löst sich die ganze sogenannte „Affäre“ in Wohlgefallen auf und die ILB überweist die ausstehenden Gelder. Ansonsten würde das Loch im städtischen Haushalt noch größer.
Teile der SPD wüteten auch nach der Sommerpause weiter, zum Schaden der Stadt. Da warf der Stadtverordnete Volker Thummerer auf dem Wahlparteitag der SPD Oberbürgermeisterin Karin Rätzel eine gewisse Nähe zur Schill-Partei vor. Was wollte der sympathische Hobby-Politiker damit bezwecken? Es stimmt, daß Karin Rätzel dieser Partei, die in der Freien und Hansestadt Hamburg seit geraumer Zeit als Partner in einer Koalition mit FDP und Christdemokraten relativ erfolgreich regiert, zum Wahlsieg gratuliert hat. Weder Verfassungsschutz noch andere staatliche Aufsichtsorgane ermitteln auf irgendeine Art und Weise gegen diese Partei. Und die Christdemokraten gehen sicherlich nicht mit undemokratischen Parteien Koalitionen ein. Schon gar nicht in Hamburg, einer Stadt die seit jeher den Ruf hat, liberal und weltoffen zu sein.
Was wollte der SPD-Stadtverordnete, der selbst schon Probleme mit demokratischen Gepflogenheiten hatte, bezwecken? So verließ er nach Angaben eines anderen Parlamentariers während einer hitzigen Debatte die Cottbuser Stadtverordnetenversammlung mit den Worten „Macht doch euern Sch... alleine.“ So etwas macht man doch auch nicht.
Fakt ist, daß dieses sozialdemokratische Störfeuer gegen das Stadtoberhaupt wirkungslos verebbte. So wie der berühmte Sturm im Wasserglas.
Apropos Stadtverordnetenversammlung: Die Legislaturperiode geht unwiderruflich zu Ende. Am Mittwoch trifft man sich zur letzten Sitzung am Altmarkt 21. Oberbürgermeisterin Karin Rätzel sieht dies mit einem weinenden Auge. Nach anfänglichen Reibereien im letzten Jahr gestaltete sich die Zusammenarbeit zwischen Stadtspitze und Legislative sehr fruchtbar. „Ich glaube, wir haben uns aneinander gewöhnt. Mit der Stadtverordnetenversammlung in der jetzigen Zusammensetzung hätte ich auch weiter arbeiten können“, sagte die Stadtchefin, die sehr gespannt ist, wie sich das Kommunalparlament in der nächsten Legislaturperiode zusammensetzen wird. „Ich hoffe auf eine Fortsetzung der konstruktiven und qualifizierten Zusammenarbeit“, erklärte die parteilose Kommunalpolitikerin. Fakt ist, daß der Wahlkampf allmählich in seine heiße Phase geht. Man darf gespannt sein, ob es den unabhängigen Wählergruppierungen gelingt, die Phalanx der großen Parteien zu durchbrechen. „Variatio delectat - Abwechslung erfreut“, heißt es im lateinischen Sprichwort. Sie erfreut aber nur, wenn die politische Arbeit zum Wohle der Stadt fortgesetzt wird.
Denn die neuen Abgeordneten haben eine Menge Arbeit vor sich. Im Schulterschluß mit der Stadtverwaltung gilt es, die maroden Cottbuser Finanzen zu sanieren. Daß diese marode sind, dafür sind die Finanzer im Rathaus nur bedingt verantwortlich. Die Kommunalfinanzgesetzgebung des Bundes hat aus blühenden Städten und Gemeinden arme Schlucker gemacht. Nur durch neue Gesetze kann der finanzielle Kollaps abgewendet werden. Ebenso klar ist, daß die Verwaltung weiter eisern sparen muß. Und daß dieser Wille in den einzelnen Fachdezernaten der Stadtverwaltung vorhanden ist, wurde auf der letzten Sitzung des Finanzausschußes am 16. September deutlich.
Ein ganz anderer Wille wurde am 8. September in einem Brief bekundet. Nämlich der des potenziellen Bauherrn, das Cottbuser Innenstadtkino nun doch endlich bauen zu wollen. Fast zeitgleich erfolgte eine mehr oder weniger peinliche Attacke von Spree-Neiße-Landrat Dieter Friese, den Schwarzbau des Groß Gaglower Kinos vor den Toren der Stadt nachträglich zu legitimieren. Der sogenannte Kinostreit war wieder einmal voll entbrannt. Doch wie schrieb die Lausitzer Rundschau sinngemäß und sehr treffend: Durch Frieses Aktivitäten wird der Schwarzbau auch nicht weißer. Die Rechtssprechung in der unendlichen Geschichte hat sich klar im Sinne der Stadt Cottbus artikuliert. Das müßte eigentlich auch der Forster Landrat akzeptieren.
Auf den Start eines weiteren bedeutenden Cottbuser Bauvorhabens wartet inzwischen die Bürgerschaft. Genauer gesagt: mindestens die Hälfte. Das sind die 50 Prozent, die für die Errichtung des einstmals umstrittenen „ECE“-Einkaufszentrums sind. Selbst Karin Rätzel, einst Gegnerin des Vorhabens in der aktuellen Form, wünscht sich, „daß es endlich losgeht“. Denn Stillstand bedeutet Rückschritt. Nachdem die Baugenehmigung erteilt ist, fehlt nur noch der erste Spatenstich des Hamburger Investors.
Und dieser Hamburger Investor wird nicht in irgendeiner Stadt bauen. Cottbus ist schließlich eine der Kommunen, die vom Qualitätssender 3SAT den Kultur-TÜV-Stempel verliehen bekommen haben. So schlecht können die sogenannten weichen Standortfaktoren, zu denen auch die Kultur gehört, in der Lausitzmetropole gar nicht sein. Ein Pfund, mit dem es zu wuchern gilt. Vor allem hinsichtlich der neuen Situation, die sich ab Mai des nächsten Jahres ergeben wird. Dann ist Nachbar Polen in der EU, dann wird sich trotz aller Freundschaft, die inzwischen gewachsen ist, ein wirtschaftlicher Konkurrenzkampf entwickeln. Und die Nachbarn im Osten sind eifrig dabei, ihre Hausaufgaben zu machen.
Am vorletzten Wochenende konnte sich davon eine Cottbuser Delegation in der Partnerstadt Zielona Gora überzeugen. Fazit von Sozialdezernentin Christina Giesecke, die mit von der Partie war: „Es ist beeindruckend, beispielsweise das Bildungssystem in Polen kennenzulernen. Unsere Nachbarn sind uns stellenweise weit voraus.“ Aussagen, die zum Nachdenken anregen.

Michael Schlick

Der Journalist Michael Schlick, Autor dieser Chronik, ist persönlicher Mitarbeiter der Cottbuser Oberbürgermeisterin
Foto: D. K.

Die Cottbuser Oberbürgermeisterin Karin Rätzel (r.) und die Stadtpräsidentin von Zielona Gora, Bozena Ronowicz,
Die Cottbuser Oberbürgermeisterin Karin Rätzel (r.) und die Stadtpräsidentin von Zielona Gora, Bozena Ronowicz, unterzeichneten am 14. September eine Jahresvereinbarung zur engeren Zusammenarbeit auf dem Gebiet von Kultur, Sport und Bildung

Eine Cottbuser Delegation auf den Stufen vor dem Rathaus in Zielona Gora.
Eine Cottbuser Delegation auf den Stufen vor dem Rathaus in Zielona Gora. Christina Neumann, Europabeauftragte der Stadt Cottbus, Oberbürgermeisterin Karin Rätzel und Christina Giesecke, Sozialdezernentin
(v.l.n.r.)

 

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