aus dem Hause Cottbuser General-Anzeiger Verlag GmbH

Pragmatisch, praktisch, grün
Grüne Politik in der roten Waagschale

Cottbus. Sie ist klein, fast schmächtig und sie sitzt beinah überraschend in der Schaltzentrale in Berlin ganz oben als politische Bundesgeschäftsführerin von Bündnis 90/Die Grünen - Steffi Lemke aus Dessau. Für manche ist sie damit Sinnbild der ostdeutschen Vertretung in unserer Regierung.
Genau das mißfällt ihr aber ausdrücklich: "Ich halte nichts davon, daß sich nur Ossis als ihre eigenen Fürsprecher ansehen. Ost ist Aufgabe aller Politiker, ob aus Westfalen, Bayern oder Mecklenburg." Das macht sie sympathisch und gleichermaßen deutlich: Sie ist nun mal kein "Realo". Auch kein "Fundi" stellt sie gleich vorsorglich klar. Sie stehe für eine pragmatische Linie, die Kompromisse nicht scheut, das große Ziel aber nicht aus den Augen verlieren will. Das mag sie an den Grünen und deswegen ist sie noch immer dabei.
Als Managerin der Partei, wie sie ihren Job selbst beschreibt, hat sie nicht nur Einfluß auf die organisatorischen Abläufe zwischen Fraktion, Ministern und Landesverbänden, sondern setzt Akzente auch bei den parteipolitischen Themen, die, wie sie sagt: "...den Leuten unter den Nägeln brennen".
Und es brannte Einiges bei der Donnerstagsrunde im DoppelDeck.
Ganz vorn voran: Die Ökosteuer. Was davon geht denn eigentlich in die Rentenkasse, wenn die Beiträge dennoch steigen? "Alles", erklärt sie mit einer gehörigen Portion Erfahren- und Gelassenheit in solchen Diskussionen. "Es geht darum, den Faktor Arbeit nicht zusätzlich zu belasten - das haben wir mit der Ökosteuer geschafft. Andersherum würde uns der Wegfall der Ökosteuer im Moment keine wirklich niedrigeren Mineralölpreise bescheren, weil die Irak-Krise diesen Bonus auffressen würde."
Betroffene Fuhrunternehmer in der Runde begehren auf. Lemke stellt klar: "Ich hab' was dagegen, wenn die Milch in Mecklenburg in Flaschen aus Sachsen gefüllt, mit Deckeln aus Hamburg zugestöpselt und zum Schluß in Bayern verkauft wird. Das werden wir nicht subventionieren!"
Mit dem irakischen Öl ist das nächste heikle Thema angeschnitten. Und einige junge Leute im Publikum sind nur gekommen, um ganz gezielt zu fragen: "Warum verlangt die USA die Bündnis- und Vertragstreue von Deutschland, wenn sie selbst so wenig drauf geben und notfalls auch ohne Bündnis-Legitimation gegen die Irakis losschlagen?"
Noch ist die Hoffnung nicht aufgegeben in ihrer Partei, an vorderster Front Joschka Fischer, daß der Krieg zu verhindern ist, sagt Lemke. Das Schwierigste dabei: Die Amerikaner sind immens wichtig für die deutsche Wirtschaft, deshalb weiß man auch bei den Grünen: Was der USA recht und billig ist, kann Deutschland am Ende teuer kommen.
Deeskalierend wollen die Grünen wirken und auch die Scheckbuch-Diplomatie von 1991 beim ersten Übergriff auf Irak soll sich nicht wiederholen. Rot-Grün will also auch in den nächsten Tagen dabei bleiben: Mehr Inspekteure und denen mehr Zeit zum Suchen im Land zwischen Euphrat und Tigris.
Stellt sich die Frage, wieviel Bündnis 90-Idealisimus steckt noch in den Grünen von heute?
Steffi Lemke muß einräumen, daß nicht alle Reformen greifen, viel Weltpolitik spielt da eine Rolle - zuviel für den Geschmack des Publikums im DoppelDeck. Dennoch pocht die Anhalterin darauf: "Das Prinzip des sozialen Ausgleichs ist das große Ziel. Nur der Weg zum Erfolg ist länger, als zuerst gedacht." Wichtige Reform-Papiere in Sachen Gesundheits-, Renten- und Steuerpolitik liegen im Bundesrat und sollen noch vor dem Sommer verabschiedet werden, wenn die Opposition mitspielt.
Nicht nur mit denen gilt es Kompromisse zu erzielen, auch die Lobby, die den Grünen schon immer das Leben schwer gemacht hat, durchkreuzt noch die Pläne. In Sachen Atomenergie z.B.: Nicht ein schnellerer Ausstieg ist inzwischen das Ziel, sondern den Bau neuer Atommeiler gilt es zu verhindern. Befürworter bekommen Aufwind angesichts steigender Ölpreise, die Lobby ist noch immer stark.


Denis Kettlitz im Gespräch mit Steffi Lemke
Direkte Fragen gaben direkte Antworten.
Steffi Lemke als Bundesgeschäftsführerin der Grünen verteidigte die rot-grüne Sparlinie im DoppelDeck
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