aus dem Hause Cottbuser General-Anzeiger Verlag GmbH

Wo SCHROTH war, bleibt nicht Provinz
Nach elf Spielzeiten scheidet Sonntag der Intendant / 35 Inszenierungen und jede Menge Spektakel

Ihm sind die Utopien ausgegangen, und er fürchtet, daß das Theater der Zukunft das Theater der Einschaltquoten werde. Wohl auch deshalb geht er zwar in Rente, denkt aber nicht ans Aufhören. Es gibt noch zu tun für Christoph Schroth, der am Sonntag offiziell als Intendant und Schauspieldirektor des Staatstheaters Cottbus verabschiedet wird.
Als Schroth nach Cottbus kam vor elf Jahren, genau am 19. August 1992, ging ein Raunen durch die Stadt. Sein Wirken in Halle (1966-71) und besonders Schwerin (1974-89) hatte längst sein Credo untermauert: „Wo ich bin, ist keine Provinz (Titel eines Buches über Schroth, herausgegeben 2003 vom Förderverein Theaterdokumentation e.V. Berlin).
Cottbus also keine Theater-Provinz? Hinrich Enderlein, der damals als brandenburgischer Kulturminister den Vertrag mit Schroth strickte, rühmt heute ihn und sich: „Er (Schroth) hat dazu beigetragen, daß Cottbus die heimliche Kulturhauptstadt Brandenburgs wurde.“
Es wiederholte sich, was Jahrzehnte zuvor der Schweriner Journalist Manfred Zelt auf die Frage „Was ist geworden, wo er hinkam“ zu antworten wußte: „Schrothlob kurzweiliges Theater.“ Dabei heißt kurzweilig bei Schroth, dem reichlich linken Schauspieldirektor, niemals belanglos, nie triviale Belustigung. Der kleine, so unkompliziert aufgeschlossene und immer zum Lachen (manchmal provozierend, meist ansteckend) aufgelegte Mann hat ein wunderschön altmodisches Theaterbild. Er will verändern, die Menschen besser machen. Aber er weiß natürlich - und hat das mit seiner legendären Faust-Inszenierung in Schwerin bewiesen - daß am Theater andere Visionen als die tagesaktuellen zählen. Das war im theaterfreundlichen Land DDR so; es ist heute nicht wesentlich anders.
Schroths ambitioniertes Theater erlebte in Cottbus das gleiche wie anderswo. Das Publikum blieb aus, die Krise kam, man entschloß sich schon „Gesicht zu wahren“ im Untergang. Die Flucht nach vorn wurde 1994 ein Brecht-Jahr und noch eine Brecht-Spektakel-Nacht. Die Bilanz: Es kamen mehr als gingen. Schroth und seine unerschütterliche Ensemble-Idee hatten Cottbus erobert.
Es kamen nun neue Spektakel am Zonenrand (15 Premieren an 2 Tagen, dazu Umlandaktivitäten und Gastronomie) und Inszenierungen wie Müllers „Umsiedlerin“, „Das Beil von Wandsbeck“ nach Arnold Zweig, die Dramatisierung von Strittmatters „Ole Bienkopp“, Lessings „Minna von Barnhelm“, Fontanes „Effi Briest“, Hauptmanns „Vor Sonnenuntergang“ und andere. 35 insgesamt. Großartige Schauspieler erlebte Cottbus dabei. Einige von ihnen sind mit dem Max-Grünebaum-Preis ausgezeichnet und gefördert worden, der ebenso zu Schroths Aera gehört, wie die Einrichtung der Spielstätte „Theaterscheune“ in Ströbitz, wie der Neubau der Kammerbühne, wie einige Opernbälle und wie die Tuchfühlung zu Fußball-Energie Cottbus. Auch den von der GRÜNEN Heimatzeitung inszentierten Theater-, später Künstlerstammtisch, hat Schroth vom ersten Abend an gefördert; er selbst war dort erster Talkgast. Schroth hat den Schauspielern das Mögliche abgefordert, hat immer darauf gesetzt, daß sie selbst ihr Handwerk entwickeln und sich einbringen wollen. Geschont hat er keinen, schon gar nicht sich selbst. Am treffendsten charakterisiert ihn wohl die Schauspielerin Barbara Bachmann, seit 1976 mit Christoph Schroth verheiratet: „Ein Kraftbündel an Ideen und Energie, gepaart mit großer Weichheit der Seele, großer Verletzlichkeit, dem Staunen eines Kindes und koboldartiger Fröhlichkeit.“
Schroth war - ist einer der Glücksfälle für Cottbus. Viele Menschen haben in dieser „Zeit der großen Aufstiege und großen Abstürze“, wie er die wilden Jahre selbst bezeichnet, neben ihm Halt,
Orientierung und Lust an immer neuen Aufgaben gefunden. Auch Martin Schüler gehört dazu, dem Raum für großes Musiktheater neben dem Schauspiel-Primus blieb. Der Operndirektor ist nun Intendant, da wo Schroth war. Und das ist nicht Provinz. J.H.

Christoph Schroth
130 Monate (rund 3 900 Tage) war Christoph Schroth (Jahrg. ‘37, ab 1984 Mitglied der Akademie der Künste der DDR, seit 1993 Akademie der Künste Berlin-Brandenburg, Kunst- und Nationalpreisträger) Intendant in Cottbus. Sonntag verabschiedet ihn das Ensemble
Foto: CGA-Archiv
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