aus dem Hause Cottbuser General-Anzeiger Verlag GmbH
Offener Brief an die Stadtverordneten der Stadt Cottbus:
Ersparen Sie Cottbus und der Stadtpromenade weitere Agonie!
Stellen Sie jetzt die Weichen für eine nachhaltige Entwicklung der Innenstadt!

Sehr geehrte Damen und Herren!

In einer Woche entscheiden Sie über eine neue Beschlussvorlage der Oberbürgermeisterin zum Bauvorhaben City-Galerie Stadtpromenade. Am kommenden Mittwoch, den 17.12.2003, stimmen Sie darüber ab, ob der im September 2000 geschlossene Grundstückskaufvertrag einem Wunsch des Inve-stors ECE folgend geändert wird. Dieser möchte sich - über den vertraglich als letzten Stichtag festgelegten 31.12.2003 hinaus - nun bis zum 31.12.2005 die Entscheidung offen halten, ob er die City-Galerie baut oder nicht. Die Beschlussvorlage der Oberbürgermeisterin sieht vor, ECE zunächst für ein weiteres halbes Jahr die Möglichkeit einzuräumen, von den Kaufverträgen über die betreffenden Grundstücke in der Stadtpromenade zurücktreten zu können und damit ggf. aus dem Cottbuser Projekt auszusteigen. Die finanziellen Folgewirkungen der nun zu fällenden Entscheidung sollen von der Verwaltung erst danach bestimmt und in einer späteren Sitzung im Februar dargestellt werden. Die Entscheidung selbst soll in einer nichtöffentlichen Sitzung fallen.

In seinem zugehörigen Brief an die Oberbürgermeisterin hat ECE-Chef Alexander Otto eingeräumt, dass der am Oberverwaltungsgericht Frankfurt beantragte Normenkontrollantrag erfolgreich sein und der Bebauungsplan "City-Galerie Stadtpromenade Cottbus" für nichtig erklärt werden könnte. Wie Sie wissen, stützt der Antrag sich auf ernst zu nehmende Argumente. So wird u.a. geltend gemacht:

" die erforderliche Untersuchung der Auswirkungen auf das Sanierungsgebiet und -verfahren sei nicht erfolgt,
" die Modellrechnungen seien nicht nachvollziehbar und methodisch wie inhaltlich defizitär,
" die Agglomerationseffekte aus der Verschmelzung von ECE und Galeria Kaufhof hätten keinerlei Berücksichtigung gefunden,
" es werde keine Begründung zu der gemachten grundlegenden Annahme vorgelegt, dass sich Alt-stadt und Stadtpromenade durch die Realisierung zu einer Hauptgeschäftslage verbinden würden
" und nicht zuletzt sei die notwendige Prüfung von Standortalternativen nicht durchgeführt worden.

Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird eine Entscheidung über die Klage nicht vor dem Jahr 2005 erfolgen, und kein deutsches Gericht wird Ihnen oder der ECE bereits im kommenden Sommer eine Vorabauskunft über den zu erwartenden Ausgang des Verfahrens geben. Was folgt daraus? Es macht keinen Sinn, der ECE eine Verlängerung des Rücktrittsrechts lediglich bis zum 30.Juni 2004 einzuräumen! Es gibt nur zwei echte Alternativen - entweder Sie geben der ECE tatsäch-lich zwei weitere Jahre Zeit, zu entscheiden, ob Sie in Cottbus bauen will oder nicht - oder aber Sie schließen die Akte ECE jetzt!

Die Entscheidung dafür, zwei weitere Jahre zu warten, ist mit hohem Risiko verbunden. Der Ausgang der Sache ist äußerst ungewiss. Die Hoffnung stirbt zuletzt, gewiss - doch immer weniger deutet dar-auf hin, dass ein Weiter-Warten am Ende tatsächlich durch die von den Befürwortern erhoffte Investiti-on belohnt wird. Immer mehr spricht dafür, dass das Projekt nie realisiert werden wird -

" sei es, das Oberverwaltungsgericht erklärt den Bebauungsplan für nichtig,
" sei es, der Investor selbst hat gemerkt, dass ein Projekt dieser Größe sich in Cottbus nicht rech-nen wird, und nimmt von sich aus Abstand davon. Längst wird doch hinter kaum noch vorgehaltener Hand berichtet, dass ECE gar nicht mehr kommen wolle!

Das Risiko ist hoch, und nicht weniger der Preis. Zwei weitere Jahre wird jede andere zukunftsweisende Investition in die Innenstadtentwicklung blockiert, zwei weitere Jahre wird die Stadtpromenade - vom Sternchen bis zu den Pavillons - weiter verfallen. Stimmen Sie der Verlängerung des Rücktrittsrechts zu, gewinnt die Stadt nichts anderes als gleich zwei schwarze Peter. Der eine heißt - zwei weitere Jahre Agonie, der andere heißt - am Ende Scheitern.

Stimmen Sie hingegen jetzt dafür, dem Investor die vertragsgemäße Entscheidung bis zum Ende dieses Jahres abzuverlangen und sein Rücktrittsrecht nicht zu verlängern, wird Klarheit herrschen. Tritt die ECE dann nicht zurück, wird man wissen, dass sie bauen will. Nimmt sie aber ihr Rücktrittsrecht wahr, ist die Akte ECE geschlossen, und der Weg frei für eine neue, tatsächlich vom breiten Willen der Cottbuser getragene Lösung! Die Stadt, der Souverän, gewinnt die Handlungshoheit zurück. Die qualvolle Agonie und Selbstblockade wird beendet.

Seit Bekanntwerden der Planungen hat der Cottbuser Denkmalbeirat das Planungsverfahren sorgsam beobachtet und kritisch begleitet. Mehrfach hat er dringend geraten, die unbestritten und dringend erforderliche Stärkung der Innenstadt in Konkurrenz zur "grünen Wiese" durch ein nachhaltigeres Konzept zu stärken: Nicht die introvertierte black-box der ECE, sondern erst ein offeneres, kleinteiligeres Konzept erzeugt Nachhaltigkeit in der Stadtentwicklung. Erst dieses ermöglicht die Umsetzung der zu Beginn der 90er Jahre beschlossenenen Sanierungsziele für das Sanierungsgebiet "Altstadt Cottbus". Vor allem aber hat der Beirat stets ein sachgerechtes und unvoreingenommenes Planungsverfahren eingefordert, das wirkliche Zukunftschancen für die Cottbuser Innenstadt eröffnet.

Jetzt ist die Zeit dafür gekommen! Sie haben es in der Hand, die Weichen dafür zu stellen. Es geht nicht darum, wer in den vergangenen Jahren "recht" hatte - Gegner oder Befürworter des Projekts. Es geht darum, endlich und so rasch als möglich ein sinnvolles, verträgliches und realisierbares Einkaufscenter angemessener Größe auf den Weg zu bringen! Es geht darum, die Agonie zu beenden - und nicht Träumen nach einem Großprojekt nachzuhängen, dessen Realisierung in den Sternen steht. Brandenburg hat schon zu viele solcher Träume platzen sehen.

Als Vorsitzende des Cottbuser Denkmalbeirates appellieren wir an Sie als die gewählten Vertreter der Stadt:

" Ersparen Sie der Stadt Cottbus eine weitere Blockade der Innenstadtentwicklung durch das weitere Warten auf ein Großprojekt, das vermutlich nie realisiert wird!
" Stellen Sie - im Interesse der Zukunft der Stadt und ihrer nachhaltigen Entwicklung - die Weichen, dass unverzüglich mit einer besseren Planung und deren rascher Realisierung begonnen werden kann!
" Verweigern Sie sich einer Verlängerung des Rücktrittsrechts der ECE auf unbestimmte Dauer und fordern Sie eine klare Entscheidung des Investors - jetzt!

Die neu gewählte Stadtverordnetenversammlung ist angetreten, einen Geist des Aufbruchs in die Stadt zu tragen - eine Stadt, in der mehr als zwei Drittel der Wahlberechtigten zuvor durch Stimmverweigerung demonstriert haben, dass sie ihr Vertrauen in eine verantwortungsbewusste Kommunalpolitik verloren haben. Tragen Sie dazu bei, dass nicht noch mehr Enttäuschung, Resignation und politisches Desinteresse Platz greifen! Anerkennen Sie das zivilgesellschaftliche Engagement und die Bereitschaft zur Übernahme bürgerschaftlicher Verantwortung, die sich in der Auseinandersetzung um die Stadt-promenade in beeindruckender Weise gezeigt haben! Nehmen Sie die Chance wahr, ein erstes Stück des Vertrauens der Bürger wieder zu gewinnen! Bestärken Sie im Interesse unserer Stadt nicht den Frust, sondern die Lust auf lebendige Demokratie!

Cottbus, den 11.12.2003

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Werner Lorenz
Vorsitzender des Denkmalbeirates der Stadt Cottbus

Dipl.-Ing. Ulrich Sasse
Stellvertretender Vorsitzender des Denkmalbeirates der Stadt Cottbus

Dora Liersch
Ehemalige Vorsitzende des Denkmalbeirates und Trägerin der Ehrenmedaille der Stadt Cottbus

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