aus dem Hause Cottbuser General-Anzeiger Verlag GmbH

Ein Senftenberger auf den Spuren von Phileas Fogg
Der Intendant der Neuen Bühne Senftenberg, Heinz Klevenow, war Gast beim 53. Künstlerstammtisch

Es könne nicht schaden, den Intendanten der Neuen Bühne Senftenberg, Heinz Klevenow, zum Künstlerstammtisch nach Cottbus einzuladen, meinte Moderator Andreas Groebe. "Er könnte den geneigten Cottbuser Kunstinteressenten mal nach Senftenberg locken."
Recht hat er. Ein bißchen im Schatten des Staatstheaters stehend, verträgt das ehemalige Theater der Bergarbeiter zusätzliche Werbung. Das um so mehr, als es für außergewöhnliche, von Kritikern bejubelte Inszenierungen sorgt und mit dem Amphitheater Großkoschen über eine romantische zweite Spielstätte verfügt. Dort läuft im nächsten Sommer noch einmal die "Reise um die Erde in 80 Tagen" nach Jules Vernes unverwüstlichem Klassiker der Abenteuerliteratur, in diesem Jahr mit großem Erfolg gezeigt. Als zweites Stück kommt "Blutiger Honig" hinzu, eine Gangstergeschichte um Prohibition - halten Sie sich fest! - im Reich der Insekten. Heinz Klevenow freut sich schon jetzt auf diese "völlig absurde Geschichte".

Ambitionierter Schlosser

Klevenows Werdegang war nicht von Anfang an auf Theater ausgerichtet. Gelernt hat er erst einmal einen "soliden" Beruf: Landmaschinenschlosser. Bald aber ging er an die renommierte Volksbühne - als Bühnenarbeiter. Von da war es nicht weit zum Besuch der Schauspielschule Berlin. Es folgten Engagements in Weimar und Stendal. 1969 kam er zum ersten Mal nach Senftenberg. Fünf Jahre schauspielerte er hier, bis er ein Engagement am Landestheater Halle annahm.
"Dort hatte ich den Wunsch, mal selbst zu inszenieren", begründet er sein anschließendes fünfjähriges Fernstudium. Seine erste Regiearbeit war dann doch etwas Unerwartetes: ein Puppenspiel. So sammelte er gleich wieder neue Erfahrungen und übernahm für zwei Jahre die künstlerische Leitung am Puppentheater Halle. Später verschlug es ihn noch kurz an Bühnen in Rudolstadt und Rostock, bis er im Dezember 1989 als Intendant in Senftenberg landete.

Begleiter der Kinder

Es war eine schwierige Zeit. Das Theater erhielt eine neue Spielstätte - angefangen zu einer Zeit, als noch die Arbeiterfestspiele im Bezirk Cottbus geplant waren. Heinz Klevenow mußte also bauen. Das Theater als Gebäude.
Und das Theater als Ensemble. "Ich habe frühzeitig erkannt, daß die DDR nicht weiterbestehen wird. Keiner würde mehr Geld ausgeben für ein Theater dieser Größe." So hieß es sich verabschieden vom Mehrspartentheater und einem Teil des Personals. 230 Planstellen gab es damals, heute sind es 94.
Klevenow wickelte das Musiktheater und das Orchester ab und schlug eine neue Richtung hin zum Kinder- und Jugendtheater ein. Seine Motivation: "Gerade Kinder und Jugendliche würden es schwer haben bei der Umstrukturierung im Land. Wir wollten sie auf ihrem Weg begleiten."
Das machen die Senftenberger offenbar mit großem Erfolg. "Wir müssen kaum noch Vorstellungen unterbrechen, um Jugendliche zu ermahnen: 'Entweder ihr haltet den Rand, oder ihr geht nach Hause.'" Im Repertoire sind Stücke wie Goethes "Faust", Sophokles' "Antigone" und Lessings "Nathan" - Klassiker mit jenen Werten, die nie verlustig gehen dürfen. Die Jüngeren können "Dornröschen" besuchen oder "Frau Holle" oder auch "Odysseus", der kurz vor der 100. Aufführung steht. Shakespeares "Macbeth" richtet sich ans ältere Publikum und wird deshalb abends gespielt.
Die Senftenberger reisen viel. "Wir sind das Theater in Brandenburg, das die Kultur des Landes am meisten nach draußen trägt", sagt Klevenow stolz über die vielen Gastspiele im In- und Ausland. "Unsere Schauspieler freuen sich, mal vor 'Bildungspublikum' zu spielen, in Häusern mit 800 gerammelt vollen Plätzen." Im Großen Saal der heimischen Neuen Bühne finden (nur) 295 Zuschauer Platz.

Kennzeichen-Kontrolleur

Im Amphitheater am Senftenberger See immerhin 600. Mit dieser Bühne erfüllte sich für Heinz Klevenow ein Traum, was ihn von einem bereits ins Auge gefaßten Weggang aus Senftenberg abhielt. "Es hat etwas mit der Vision vom Aussehen der Lausitz zu tun. Seit 1994 sind wir mit dieser Idee schwanger gegangen", erinnert er sich. Die Begeisterung bei den "Verantwortungsträgern" hielt sich jedoch in Grenzen. "Es hat verdammt lange gedauert, bis die Region Blut geleckt hat." Das Projekt drohte an der Finanzierung zu scheitern, bis sich das Landwirtschaftsministerium erbarmte. "Die haben das gemacht, ohne groß zu diskutieren", wundert und freut sich der Intendant gleichermaßen. 2,8 Millionen Mark kostete die Bühne. Vor zwei Jahren eröffnet, hätte sich mittlerweile auch sein Ensemble ("Schauspieler spielen nicht gern im Freien") daran gewöhnt. Die Faszination, die das Amphitheater ausübt, ist groß und länderübergreifend. Dazu müssen nicht einmal die Zuschauer befragt werden. Es reicht, die Autokennzeichen auf dem Parkplatz zu kontrollieren.

Intendant auf Abruf

2004 wird Heinz Klevenow den Staffelstab als Intendant nach 15 Jahren weitergeben. Er hofft, daß sein Nachfolger die inhaltliche Linie des Theaters weiterfährt: "Sie ist richtig und wichtig."
C.N.

Intendant Heinz Klevenow
15 Jahre als Intendant will Heinz Klevenow vollmachen. 2004 tritt er ab
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