aus dem Hause Cottbuser General-Anzeiger Verlag GmbH

Morsezeichen auf Parkett
Stepper Jürgen Kossack über seine Leidenschaft

Cottbus. Wer eine Tanzpädagogin als Mutter und schon als kleiner Junge auf dem Schoß von Tänzerinnen gesessen hat, aus dem konnte nur ein Tänzer werden. Wenn auch keiner von Berufs wegen - dazu fehlt Jürgen Kossack die Ballettschule. Zwar wollte er, kaum sieben Jahre alt, eine besuchen, doch die Mutter hielt ihn ab. Das verriet er am Montag beim 52. Künstlerstammtisch im DoppelDeck. Aber auch ohne höhere Weihen ist Tanzen seine Leidenschaft geworden, genauer gesagt: der darstellende Bühnentanz und das Steppen. "Steppen ist Morsen an Mutter Erde, sie möge die Gravitation aufheben", zitiert er die Tanzlegende Fred Astaire.
20 Jahre lang war Jürgen Kossack Mitglied im Deutsch-Sorbischen Ensemble Sielow, auch während seiner siebenjährigen Marinezeit. "Man hätte noch soviel Salzwasser über mich schütten können, dem Tanz wäre ich nicht untreu geworden", schmunzelt er. Nach der Wende dann doch die Trennung vom Ensemble, dem damit der künstlerische Leiter abhanden kam. "Das nimmt man uns heute noch übel", bedauert Kossack. In der anschließenden Zwangspause fühlte er sich unausgeglichen - bis er 1996 sein Ensemble NALCHENK ("Nelke") gründete. Als Konkurrenz zu den Sielowern sieht er sich nicht, obwohl die ihm Steine in den Weg gelegt hätten: "Wir haben ums Überleben gekämpft, es geschafft und sind stolz drauf."
58 Mitglieder in verschiedenen Gruppen zählt das Ensemble mittlerweile. Zum Repertoire gehörten zuerst die traditionellen sorbischen Tänze. Eines Tages bekam Kossack eine CD der irischen "Lord of the Dance"-Stepshow geschenkt. Fasziniert von der Musik, begann die Truppe die ersten Schritte nachzutanzen. Nach hartem autodidaktischen Training begeistert NALCHENK heute immer mehr Zuschauer mit einem eigenen irischen Programm.
Gesteppt wird allerdings mit ganz gewöhnlichen Volkstanzschuhen aus Italien. Lange suchte Jürgen Kossack, bis er einen alten Cottbuser Schuhmacher fand, der sie mit Stepeisen besohlen konnte. Die echten irischen Stepschuhe mit Glasfaserhartsohle kann sich der Verein nicht leisten.
Wie er es überhaupt schwer hat, sich zu finanzieren. Die Betriebskosten für den Vereinssitz in der Schmellwitzer Bachstraße sind sehr hoch; demnächst muß das Objekt geräumt werden, ein neues ist noch nicht in Sicht. Für Gastspielreisen fehlt ebenfalls das Geld. "Alle halten die Taschen zu, wenn NALCHENK kommt. Für die Stiftung für das sorbische Volk sind wir nicht sorbisch genug", so Kossack.
Für die Besucher der Meerrettich-Partys im Werbener Hotel "Zum Stern" schon. Jeden Freitag gestaltet die NALCHENK- Volkstanzgruppe einen Folkloreabend. Kultur, Trachten und Bräuche der Sorben stehen dabei im Mittelpunkt. Durchs Programm führt jedesmal Christine Stiegmann, die gemeinsam mit Jürgen Kossack auf dem DoppelDeck-Podium saß. Seit sechs Jahren moderiert sie die Shows. Eigentlich wollte sie bei NALCHENK tanzen. "Ich habe aber Rhythmusprobleme", so ihre Einsicht.
Auf eines achtet NALCHENK sehr streng: die Trennung der einzelnen Gruppen: "Steptanz in Tracht wird es nicht geben", so Kossack, "wir wollen die wendische Tradition nicht veralbern." Mehr Infos gibt es unter www.nalchenk.de. C.N.


Steptänzer Jürgen Kossack (l.) und Moderator Jürgen Heinrich prüfen kritisch, ob die Stepeisen an den Schuhsohlen noch intakt sind
Fotos: Christoph Neumann


Der 15jährige Daniel führte dem Publikum im DoppelDeck einige Stepschritte vor. NALCHENK-Moderatorin Christine Stiegmann hält das Mikrofon, damit das Klacken auch wirklich gut zu hören ist
zurück...