aus dem Hause Cottbuser General-Anzeiger Verlag GmbH
Vom Ledersattel zur Couch
9.9.: Raumausstatter-Innung wird 333 Jahre alt
Cottbus (gg). Die älteste Innung innerhalb der Raumausstatter Deutschlands ist die Cottbuser. „Das konnten uns auch die Nürnberger und Frankfurter Kollegen nicht streitig machen“, erklärt Innungsobermeister Werner Hummel stolz. Das Dokument liegt in der Innungslade und beweist es: Am 9. September 1670 war es, als sich der erste des ehrsamen Handwerks der Riemer in Cottbus einen Lehrling nahm.
Die Ursprünge der heutigen Raumgestalter gehen also auf die Sattler und Riemer zurück. Über das feine und filigrane Handwerk am Leder folgten Jahrzehnte und Jahrhunderte später auch Aufträge für Wandbekleidungen, Stuhlpolster und allerhand Ausgesuchtes für die Innenräume feiner Leute. Später kamen auch die Fußbodenbeläge dazu und in jüngster Zeit die Sonnenschutzanlagen.
Heute sind es noch 14 Innungsbetriebe, die in Cottbus und Spree-Neiße zu der ehrwürdigen Zunft gehören. Aus Fußbodenlegen, Schneidern und Polstern ist inzwischen der vielseitige und anspruchsvolle Beruf des Raumausstatters geworden, Meistertitel inbegriffen.
Drei Lehrlinge sind in diesem Jahr in der Cottbuser Innung freigesprochen worden. Oder sollte man besser sagen freigeschlagen worden? Der Akt wird nämlich aufs Feierlichste begangen: Kerzen und historische Krüge aus der Innungslade schmücken den Raum, mit einem speziellen Polsterhammer wird der Frischgeprüfte - quasi wie beim Ritterschlag - zum Gesellen geschlagen. Diese Ehre muß ihm dann drei Silbertaler wert sein.
„Die Taler mehrerer Generationen klappern in der Schatulle der Innung“, weiß Angela Kottusch, die Tochter des Innungsobermeisters, die heute mit ihrem Mann das Geschäft am Altmarkt führt und auch schon die Tochter ins Handwerk eingeführt hat.
Doch wie klapperts in der Geschäftskasse? Wie andere Handwerksbetriebe auch, hängt der Erfolg der Raumausstatter am gut gefüllten Portemonnaie der Kunden. „Dreizehn Jahre nach der Wende hat aber manch einer schon gemerkt, daß die Handwerks-Qualität in jedem Fall besser ist als die der Industrie“, so Hummel im Resümee und weiter: „Ein Sofa von uns ist meist nicht teurer als die scheinbar gehobene Qualität aus dem Möbelmarkt - aber es kann individuell an die Raumsituation angepaßt werden“.
So preist er die Vorteile des handwerklichen Services, um den es Obermeister Hummel mitunter bange ist: „Unverständlich, warum die Bundesregierung das mit der Änderung der Handwerksordnung untergraben will - so wird Jahrhunderte alte Handwerkskunst runtergewirtschaftet!“
Um Reparaturen kümmern sich die Raumausstatter ebenso wie um Gardinen - passend zur Einrichtung und dem textilen Bodenbelag, alles auch mit Beratung im Haus und mit schneller Hilfe, wenn es was zu ändern gibt. Und auch einen gibt es noch, der noch wie eh und je vor 333 Jahren das Sattlerhandwerk beherrscht. In Guben fertigt Sattlermeister Milde immer noch die Reit-Sättel.
Am 9. September wollen die 14 Innungsbetriebe gemeinsam im Haus des Handwerks darauf anstoßen.

Der Innungsobermeister der Raumausstatter Werner Hummel
Der Innungsobermeister der Raumausstatter Werner Hummel
Foto: privat

Gesine Kottusch hat in der Innungslade das älteste Protokollbuch der Sattler-innung gefunden.
Gesine Kottusch hat in der Innungslade das älteste Protokollbuch der Sattler-innung gefunden. In Schnörkelschrift steht hier das Datum 9. Septenmber 1670 verzeichnet. Innungskrüge, Siegel und die Gesellenmünzen werden so schon über Jahrhunderte aufbewahrt

Foto: Gabi Grube

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