aus dem Hause Cottbuser General-Anzeiger Verlag GmbH

Neues muß doch probiert werden
Reformen, stapelweise Papierkram und 7.000 junge Leute ohne Job

Das stellt Gert-Armin Schur im gut besetzten DoppelDeck gleich zu Beginn klar: Das Arbeitsamt ist kein Investor, der die Arbeitsplätze schafft, sondern Dienstleister. Zu vermitteln ist nur das, was da ist und das ist zuwenig, muß er einräumen. Allein 7.000 junge Leute unter 25 Jahren haben keine Arbeit in unserer Region. Und ein Jahr ohne praktisches Tun hinterläßt große Lücken in teuer erarbeitetem Wissen und in der Motivation. Aber selbst die Dienstleister-Funktion ist für das Amt mit dem großen A schwer sicherzustellen, wenn stapelweise neue Vorschriften - und jede Woche mehr - die Mitarbeiter beschäftigen.

Wenn die vielgescholtene Wegzugsprämie vor ein, zwei Jahren noch eine überregionale Perspektive unterstützte, so ist auch das jetzt passè. Nicht nur, daß sie nicht mehr gezahlt wird, die Nachfrage im süddeutschen Raum nach Fachkräften ist im letzten Jahr rapide zurückgegangen, erklärt Schur.
Und die Perspektiven in unserer Region? Es fehlen die entscheidenden Investitionsentscheidungen vor allem im Mittelstand. "Die meisten halten gerade ihre Stamm-Mannschaft zusammen. Neueinstellungen sind rar", erklärt der Chefverwalter von rund 61.000 Akten arbeitssuchender Lausitzer.
Gerade für diese sollen die Erleichterungen bei Minijob-Abrechnung und IchAG Beschäftigungsreserven mobilisiseren. Leben kann allerdings niemand von 3,40 Euro Stundenlohn bei Gurken- und Spargelernte-Jobs. Ob die neue Einfachheit und höhere Einkommensmöglichkeiten ab 1. April Entlastungen bei den Arbeitslosenzahlen schaffen, muß sich erst herausstellen. Gert- Armin Schur: "Wir sollten uns bei Reformen die nötige Zeit lassen. Viel Neues wird uns auf den Tisch gelegt und eine Woche später wieder geändert. Ob ein Instrument am Markt geeignet ist, stellt sich doch aber erst nach einigen Monaten heraus!"

Die Personalserviceagenturen werden nur für 650 Jobsuchende Beschäftigung bringen. Auf Ausleihbasis vorrangig im Metall- und Elektrogewerbe.
28 IchAgs haben sich seit Januar hier gegründet, weitere Anträge liegen vor. Die Zahl trügt darüber hinweg, daß schon 1.000 weitere Existenzgründer auf anderen Förderwegen unterstützt werden: "In Sachen Existenzgründer ist die Lausitz aber risikofreudiger als anderer Regionen."
Allerdings: Durchhalten ist wichtig, auch magere Monate und dazu gehört viel kaufmännisches Wissen, gute Beratung in Sachen Versicherung und Gewährleistung, rät der Fachmann und verweist auf die Beratungsangebote der Kammern und Verbände.
Rund 60 Millionen Euro weniger als im letzten Jahr stehen für die Leistungen unseres Arbeitsamtes zur Verfügung, stellt Moderator Andreas Groebe fest. Da müssen Prioritäten gesetzt werden. Schur plädiert für mehr Beschäftigung für die Jugend statt vieler ABM, die meist dauerhafte Zuschußgeschäfte bleiben.
Denn auch Arbeitsämter untereinander stehen in Konkurrenz, eingesetztes Geld muß zu aufzeigbaren Erfolgen führen. Deshalb: ab Herbst stehen dem Arbeitsamt 14 weitere Vermittler zur Verfügung. 32 sind es dann insgesamt, die es schaffen müssen, mehr als nur 45 Prozent der Betriebe persönlich anzusprechen. Und auch die leistungsgerechte Bezahlung der Arbeitsamtsmitarbeiter wird vorbereitet, damit das Amt als Dienstleister wahrgenomen wird.
Stärker werdende private Konkurrenz setzt auf diese offensichtlichen Schwächen im System. Auch wenn von 4000 ausgegebenen Vermittlungsgutscheinen erst rund 400 abgerechnet sind.

Hintergrund:

Das Arbeitsamt ging aus der 1927 gegründeten Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung hervor. Mit der Verabschiedung des Arbeitsförderungsgesetzes 1969 bekam sie ihren heutigen Namen: Bundesanstalt für Arbeit.
Der Arbeitsamtsbezirk Cottbus umschreibt den ehemaligen Bezirk Cottbus. Rund 61.000 Menschen waren im Jahresdurchschnitt in diesem Gebiet ohne Arbeit. Das entspricht einer Quote von 21,5 Prozent. Rund 7.000 von ihnen sind unter 25 Jahren alt. Rund 5.700 Menschen fanden im vergangenen Jahr vorrübergehende Beschäftigung in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) und Strukturanpassungsmaßnahmen (SAM).
In diesem Jahr stehen dem Arbeitsamt rund 298 Millionen Euro für Maßnahmen der Qualifizierung, Vermittlung für Beihilfen und Zuschüsse zur verfügung. Das sind 60 Millionen weniger als 2002.
Seit 1. Januar ist die Gründung einer IchAG oder FamilienAG möglich. Ab 1.April gelten neue Regelungen für geringfügig Beschäftgte. 25 Prozent des Verdienstes sind dann pauschal für Steuern und Sozialversicherung abzuführen.Die Behörde zur Abrechung der Jobs soll z.T. in Cottbus angesiedelt werden.





Gert-Armin Schur, Direktor des Cottbuser Arbeitsamtes, zeigt: Soviel Papier liegt auf jedem Tisch unserer Mitarbeiter. Reformierte Reformen und jede Woche neue Bestimmungen. Das läßt kaum Platz für aufwendige Vermittlungsdienstleistungen


Nicht jedes Arbeitsmarkt-Instrument bekommt soviel Beifall wie wohlklingene Musikinstrumente. Im PolitPiano gab es Applaus für Elena Vinogradowa am Salonflügel






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